Klimapolitik und Verfassungsrecht - Dietrich Murswiek

Dietrich Murswiek

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Klimapolitik und Verfassungsrecht

Publikationen
Der Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts blendet die internationale Dimension des Klimaschutzes aus

„Ökonomisch und ökologisch unsinnig, verfassungsrechtlich falsch“
Welt 19.8.2021 = Printausgabe vom 20.8.2021, S. 1, 10
In seinem Klimabeschluss vom 24. März 2021 betont das Bundesverfassungsgericht zwar, der Klimaschutz habe eine internationale Dimension. Dann argumentiert es aber so, als ob es diese Dimension nicht gäbe und als ob die Rettung der Welt davon abhinge, ob Deutschland sein angebliches „CO2-Restbudget“ nicht überzieht. Das ist nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch unsinnig und verfassungsrechtlich falsch. Klimaschutz ist – auch rechtlich – geboten, aber die Verfassung verpflichtet nicht zu Restriktionen, die dem Klima nichts nützen und die Wirtschaft ruinieren.

Vollständiger Text auch hier.


Das Bundesverfassungsgericht ändert die Verfassung, um die Klimapolitik zu forcieren - eine nie dagewesene richterliche Kompetenzanmaßung

Karlsruhe als Klimaaktivist

Zusammenfassung:

Mit dem Klima-Beschluss vom 24. März 2021 macht das Bundesverfassungsgericht eine vom Bundestag abgelehnte Verfassungsänderung zum verbindlichen Verfassungsrecht. Es macht sich selbst nicht nur zum klimaaktivistischen Politikantreiber, sondern schwingt sich zum verfassungsändernden Gesetzgeber auf. Eine so krasse Kompetenzüberschreitung hat es in der Geschichte des Bundesverfassungsgerichts noch nie gegeben.

Das Bundesverfassungsgericht hat sehr weitreichende und für die Wirtschaft und die Bürger äußerst kostspielige staatliche Pflichten zur CO2-Begrenzung statuiert. Es hat diese Pflichten daraus abgeleitet, dass sich aus dem Grundgesetz (Art. 20a) ergebe, dass aus Gründen des Klimaschutzes nur noch ein „Restbudget“ von 6,7 Gigatonnen zur Verfügung stehe. Das Ziel des Pariser Klimaschutz-Abkommens und des deutschen Klimaschutzgesetzes (Paragraph 1), den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 Grad Celsius und möglichst auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, lasse sich nur einhalten, wenn nach Ausschöpfung des „Restbudgets“ keine Netto-CO2-Emissionen mehr erfolgten.

Diese Begrenzung des CO2-Emissionen auf ein nationales „Restbudget“, von dem 2030 nur noch eine Gigatonne übrig sein werde, wenn so viel CO2 emittiert wird, wie nach dem bisherigen Klimaschutzgesetz erlaubt ist, lässt sich aber nicht aus dem Grundgesetz ableiten. Das Bundesverfassungsgericht hat im Klima-Beschluss selbst festgestellt, dass aus Art. 20a des Grundgesetzes kein Temperaturziel – und folglich auch kein CO2-Restbudget – ableitbar sei. Dann aber erhebt es das Temperaturziel von Paragraph 1 des Klimaschutzgesetzes in Verfassungsrang, indem es behauptet, der Gesetzgeber habe mit dieser Vorschrift das Umweltschutz-Staatsziel des Artikels 20a des Grundgesetzes „konkretisiert“. Das Bundesverfassungsgericht hat also das Klimaschutzgesetz für teilweise verfassungswidrig erklärt, indem es eine einzelne Vorschrift dieses Gesetzes vorher zu einer Quasi-Verfassungsvorschrift hochgestuft hat. Das Bundesverfassungsgericht prüft somit den übrigen Inhalt des Klimaschutzgesetzes anhand eines Maßstabes, den es sich selbst zuvor geschaffen hat.

Paragraph 1 des Klimaschutzgesetzes – das Temperaturziel des Pariser Abkommens – erhält auf diese Weise einen Status, den es im deutschen Verfassungsrecht gar nicht gibt: Diese Vorschrift kann zwar vom einfachen Gesetzgeber, also ohne die für Verfassungsänderungen erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit, geändert werden, hat aber gemäß dem Klima-Beschluss ansonsten Verfassungsrang, und das Bundesverfassungsgericht kann diesem Beschluss zufolge gesetzliche Vorschriften darauf überprüfen, ob sie mit dem Temperaturziel übereinstimmen. Solche Zwitternormen – zugleich einfaches Gesetz und Verfassungsnorm – sind aber dem deutschen Verfassungsrecht fremd.

Bemerkenswert ist, dass die GRÜNEN 2018 beantragt hatten, den Artikel 20a des Grundgesetzes um folgende Vorschrift zu erweitern: „Für die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich verbindliche Ziele und Verpflichtungen des Klimaschutzes binden alle staatliche Gewalt unmittelbar.“ Das war – nicht nur, aber vor allem – auf das Pariser Abkommen bezogen. Der Antrag wurde vom Bundestag abgelehnt. Das Bundesverfassungsgericht macht nun mit seinem Klima-Beschluss die von den GRÜNEN beantragte, aber vom Bundestag abgelehnte Verfassungsänderung in ihrem wesentlichen Inhalt zum geltenden Verfassungsrecht. Damit schwingt sich das Bundesverfassungsgericht selbst zum verfassungsändernden Gesetzgeber auf und überschreitet seine richterlichen Kompetenzen.

Vollständiger Text auch hier.



 
Klimapolitik und Grundgesetz


Der Vortrag informiert über Umfang und Grenzen der staatlichen Pflicht zum Klimaschutz und setzt sich im Schwerpunkt kritisch mit dem Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.3.2021 auseinander.

Eine leicht erweiterte Textfassung des Vortrags finden Sie hier (pdf). Der Text ist inzwischen erschienen in: Festschrift für Dieter Dörr, 2022, S. 117-133.


Atomenergie ist eine vom Verfassungsgericht übersehene Freiheitsressource
[Kritik am Klima-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts: Nicht Klimaschutzerfordernisse bedrohen die künftige Freiheit, sondern eine Politik, die aus Gründen, die mit Klimaschutz nichts zu tun haben, naheliegende Möglichkeiten der CO2-Reduzierung ungenutzt lässt.]


Klima-Nationalismus ist keine Lösung
Das Grundgesetz schreibt keine bestimmte Politik vor
FAZ v. 21.11.2019, S. 6 = FAZ.net 20.11.2019 = hier

auch veröffentlicht in: Wohlstand für Alle. Klimaschutz & Marktwirtschaft. Sonderveröffentlichung der Ludwig-Erhard-Stiftung, 2020. Einzelbeitrag Murswiek; ganzes Heft (pdf)


Klimaschutz und Grundgesetz. Wozu verpflichtet das Staatsziel Umweltschutz?
Vortrag beim Wirtschaftsrat Bayern am 22.10.2019 in München

Der  Vortrag beschreibt die Bedeutung des Staatsziels Umweltschutz (Artikel  20a Grundgesetz) für den Klimaschutz und geht besonders auf Umweltnutzungskonflikte ein: Wenn für den Umweltschutz Mittel eingesetzt  werden, die der Umwelt schaden, ist das mit dem Grundgesetz nur vereinbar, wenn der Nutzen für die Umwelt größer ist als der Schaden.  Man sollte meinen, das sei selbstverständlich. In Sachen Windkraft wird das Gegenteil praktiziert.

Der Vortrag kann hier heruntergeladen werden.


Klimaschutz gegen Umweltschutz?

Zusammenfassung:

Die  Bundesregierung darf nicht weitreichende klimapolitische Beschlüsse  fassen, die eine Verdoppelung der Zahl der Windkraftanlagen zur Folge  haben werden, ohne zuvor den ökologischen Nutzen der Windkraft genau zu ermitteln und ihn gegen die ökologischen Nachteile der Windräder  abzuwägen.

Mit der in Artikel 20a des Grundgesetzes normierten Umweltschutzpflicht des Staates ist es unvereinbar, Maßnahmen zu beschließen, die den Zustand der Umwelt verschlechtern. Zwar dient der Klimaschutz dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, und der Staat ist deshalb zum Klimaschutz nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. Aber wenn er zum Klimaschutz eine Technologie einsetzt, die die Umwelt schädigt, ist dies mit dem Grundgesetz nur dann  vereinbar, wenn die Umweltschäden, die diese Technologie anrichtet, nicht größer sind als die potentiellen Umweltschäden, die durch Einsatz dieser Technologie vermieden werden sollen.

Die bislang in  Deutschland installierten Windkraftanlagen substituieren nach Angaben des Umweltbundesamtes rund 75 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente, die  bei Erzeugung des Stroms mit Kohlekraftwerken emittiert würden. Dies bringt für den Klimaschutz aber nichts, weil die Treibhausgasemissionen  der Energieerzeugung durch das Emissionshandelssystem der EU gesteuert werden. Die in Deutschland durch die Förderung erneuerbarer Energien eingesparten CO2-Emissionen führen in diesem System zu im wesentlichen entsprechend höheren CO2-Emissionen in anderen EU-Staaten. Da somit die durch die Windenergieanlagen verursachten Umweltschäden nicht durch einen größeren klimapolitischen Umweltnutzen kompensiert werden, ist der Ausbau der Windenergie gegenwärtig mit Artikel 20a des  Grundgesetzes unvereinbar.

Selbst bei Änderung der europarechtlichen Rahmenbedingungen ist der ökologische Nutzen des Windkraftausbaus fraglich. Die damit erreichbare Absenkung des Anstiegs der Erdtemperatur ist wahrscheinlich so gering, dass dies keine Auswirkungen auf die Lebensbedingungen von Menschen, Tieren und Pflanzen hätte.

Jedenfalls können die durch den massiven Ausbau der Windenergie mit Sicherheit eintretenden Umweltbeeinträchtigungen (beispielsweise Tötung von Vögeln und Insekten, Verkleinerung ihrer Lebensräume, Rodung von Wald, Verursachung von potentiell gesundheitsschädlichem Infraschall, Verunstaltung der Landschaft) nicht einfach mit dem pauschalen Hinweis gerechtfertigt werden, dass die Windkraft dem Klimaschutz und damit auch dem Schutz der Umwelt diene. Artikel 20a Grundgesetz verlangt eine Abwägung der konkreten positiven  und negativen Auswirkungen der Windkraft auf die Umweltgüter. Dazu müssten die angestrebten positiven Auswirkungen zunächst ermittelt werden. Statt auf den Klimawandel im ganzen hinzuweisen, müsste die Bundesregierung darlegen, welchen Erfolg die Verdoppelung oder Verdreifachung der Windkraftanlagen für die Absenkung des Temperaturanstiegs haben könnte. Und wenn sich überhaupt eine umweltrelevante Auswirkung auf die Durchschnittstemperatur begründen ließe, müsste gezeigt werden, welche Tiere oder Pflanzen in welcher Weise durch den bei Unterlassung des Windkraftausbaus erwarteten Temperaturanstieg geschädigt würden. Diese erwarteten Schäden, die durch den Windkraftausbau vermieden werden sollen, müssten dann den durch die  Windkraftanlagen verursachten Schäden gegenübergestellt werden. Der Windkraftausbau lässt sich nur rechtfertigen, wenn die durch den Einsatz der Windkraft vermiedenen Umweltbeeinträchtigungen größer sind als die durch ihren Einsatz verursachten Umweltbeeinträchtigungen.

Solange es eine solche konkrete Folgenabschätzung und Folgenabwägung nicht gibt, verstößt eine klimapolitische Entscheidung der Bundesregierung, welche die Weichen in Richtung auf mindestens eine Verdoppelung der Zahl der Windkraftanlagen in Deutschland stellt, gegen Artikel 20a Grundgesetz.

Der vollständige Artikel ist erschienen am 13.9.2019 auf FAZ EINSPRUCH
Ohne Bezahlschranke hier als pdf.








 
 
 
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